Gamer oder Athlet – die Diskussion um eSports

Fairplay Sporthandel Sven Lange
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Gamer oder Athlet – die Diskussion um eSports - Für und Wider einer Aufnahme in den DOSB

Ist eSports wirklich Sport? Mit dieser Frage beschäftigen sich aktuell die Sportverbände. Dabei geht es auch darum zu klären, ob die zunehmend populäre Freizeitbeschäftigung in das Sportverbands- und Vereinssystem des DOSB aufgenommen werden sollte? Wir beleuchten in diesem Beitrag die aktuelle Diskussion.

Der DOSB hat für sportdeutschland jüngst entschieden, das Thema eSport nicht in den Kanon der Sportarten aufzunehmen. Vorausgegangen ist die Arbeit einer 25-köpfigen Arbeitsgruppe, deren Zusammensetzung nicht kommuniziert wurde. Als Abgrenzung wurde der Begriff eGaming ins Spiel gebracht, da unser oberster Sportverband und viele seiner Funktionäre eSport nicht als Sport betrachtet und angeblich der eSport nicht mit den Werten des Sports in Einklang gebracht werden kann.

Doch muss der Sport dann nicht sein gesamtes System in Frage stellen, sich mit voller Konsequenz vom Fußball Weltverband, der die Werte mit Füßen tritt, distanzieren, dem IOC und dessen Machenschaften einen Riegel vorschieben, den Sportarten, bei denen Doping und somit unfaires Verhalten ein Dauerthema ist, die rote Karte zeigen und noch entschiedener gegen sexuelle Gewalt, eben nicht nur ein Thema bei us-amerikanischen Turnerinnen, sondern bei über 30% der Sportler*innen in Deutschland (siehe Studie von Rulofs), vorgehen? Werte sollten mehr als Worthüllen in Festreden der Funktionärskolleginnen und -kollegen sein? [aktualisiert am 25.11.2018)

Was ist eSports?

Als eSports, es sind verschiedene (weitere) Schreibweisen (e-Sports, e-Sport, ESport, E-Sports) bekannt, wird ein Vergleich zwischen Spielern, die an einem Computer sitzen und meist über einen Mehrspielermodus gegeneinander antreten, bezeichnet. Das Reglement wird vom jeweiligen Veranstalter vorgegeben.

Der ESBD, der zughörige Verband in Deutschland, definiert eSports als „das sportwettkampfmäßige Spielen von Video- bzw. Computerspielen, insbesondere auf Computern und Konsolen, nach festgelegten Regeln“ (ESBD, 2018a)

eSports ist demnach ein wettbewerbsmäßiges Videospielen, bei dem es drei unterschiedliche Disziplinen gibt:

  • Ego-Shooter-Spiele,
    bei der die Spieler aus der Egoperspektive in der jeweiligen Spielwelt agieren und dort mit einem Avatar, einer menschenähnlichen Spielfigur, unter Verwendung von Schusswaffen gegen von anderen Spielern oder gegen vom Computer gesteuerte Gegner kämpfen.
  • Echtzeit-Strategiespiele,
    bei denen in Echtzeit die anwesenden Spielteilnehmer interaktiv Aktionen im Rahmen des Spiels durchführen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
  • Sportsimulationen,
    bei denen eine bestimmte Sportart virtuell, sprich am Computer, ausgeführt wird. Hierunter können auch sogenannte Sportmanager-Spiele fallen, die jedoch primär zu den Wirtschaftssimulationen zählen.

Bei den Wettbewerben und Wettkämpfen werden sowohl Einzeldisziplinen als auch Mannschaftsdisziplinen angeboten.

Die Geschichte von eSports geht bis in die 1950er Jahre zurück, seit den ersten World Cyber Games (WCG) 2000 in Seoul  steigt die Bekanntheit und Beliebtheit dieser Art von Wettkampf. Das Chat-Netzwerk IRC trug wesentlich zur Verbreitung von eSports bei.

In Asien ist eSports weitaus stärker verbreitet als in Europa, weltweiten Zahlen über eSportler liegen derzeit keine vor, in Deutschland werden  zwischen 1,5 Millionen und 4,5 Millionen Menschen dem eSports zugeordnet. Allein diese Bandbreite zeigt, wie unzuverlässig die Zahlen sind.

eSports-Verbände

Nationale und internationale Verbände und Organisationen fördern den eSport. In Deutschland ist hierfür seit 2003 der Deutsche eSport Verband (DeSpV) zuständig, neben den der Deutsche eSport Verband e.V. (DeSV) entstand, die 2004 gemeinsam in den Deutschen eSport-Bund (ESB) fusionierten. Seit 2011 scheint der Verband inaktiv zu sein, im November 2017 wurde ein neuer Dachverband, der eSport-Bund Deutschland (ESBD), gegründet.

International ist die International eSport-Federation (IeSF), die 2008 gegründet wurde, für derzeit 46 Mitgliedsnationen zuständig. Seit 2015 hat der Weltleichtathletikverband (IAAF) eine Kooperation mit dem IeSF.

Ist eSports nun Sport?

Schon die Frage, was Sport ist, wird sehr kontrovers diskutiert. Daher verwundert es nicht, dass die Frage, ob eSports Sport ist, mindestens genauso kontrovers diskutiert wird. Sport lässt sich nicht eindeutig, sprich präzise definieren. Neben einem alltagstheoretischen Gebrauch werden historische, soziale, ökonomische, politische und rechtliche Aspekte Faktoren herangezogen.

Prof. Claus Tiedemann hat 2002 eine Diskussion um die Definition des Begriffs Sport geprägt, die seitdem mehrfach überarbeitet wurde:
„Sport ist ein kulturelles Tätigkeitsfeld, in dem Menschen sich freiwillig in eine Beziehung zu anderen Menschen begeben, um ihre jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Bewegungskunst zu vergleichen - nach selbst gesetzten oder übernommenen Regeln und auf Grundlage der gesellschaftlich akzeptierten ethischen Werte“ (Tiedemann, 2017).

Der DOSB arbeitet dagegen mit der schwammigen Definition des sportwissenschaftlichen Lexikons von 2003:
„Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen. Was im allgemeinen unter Sport verstanden wird, ist weniger eine Frage wissenschaftlicher Dimensionsanalysen, sondern wird weit mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch sowie von den historisch gewachsenen und tradierten Einbindungen in soziale, ökonomische, politische und rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Darüber hinaus verändert, erweitert und differenziert das faktische Geschehen des Sporttreibens selbst das Begriffverständnis von Sport“ (Röthig/Prohl Hrsg.: Sportwissenschaftliches Lexikon, 6. Aufl., Schorndorf 2003 , siehe https://www.dosb.de/de/organisation/was-ist-sport/sportdefinition/)

Grundsätzlich erscheint mir die Definition von Tiedemann greifbarer, so dass ich auf diese im Folgenden Bezug nehme, wenn es um eSports geht.

eSports ist zunächst einmal freiwillig und die eSportler begeben sich in eine Beziehung zu anderen eSportlern, um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vergleichen. Soweit ist die Zuordnung eindeutig.

Unstrittig ist auch der Umgang mit Regeln, denn eSportler agieren nach selbst gesetzten Regeln. Doch hier gilt es zu prüfen, ob dies auch nach gesellschaftlich akzeptierten ethischen Werten geschieht.

Ethische Werte des Sports

Es stellt sich die Frage, in weit sich der eSport mit den ethischen Werten des Sports vereinbaren lässt. Unter Betrachtung der Beispiel der Ego-Shooter Spiele findet man viel Verstörendes, das nicht mit den ethischen Grundsätzen des Sports in Einklang zu bringen ist. Auf der anderen Seite  wird auch ohne eSports in gehäufter Zahl an Vorfällen den ethischen Werten des Sports entgegen getreten, so dass diese Werte permanent eingefordert und teilweise sogar neu definiert werden müssen.

Beispiele hierfür findet man zuhauf, egal, ob man den Radsport seit den 1990er Jahren betrachtet, den Schiedsrichter Wettskandal um Hoyzer 2005 im Bereich Fußball, die Korruptionsfälle und Verstöße gegen Compliance-Regeln des FIFA-Ethik-Codes im Weltfußballverband, die als FIFA-Mafia durch die Presse gingen, die Machenschaften des IOC-Sumpfes (vgl. Kistner & Weinreich), die umstrittenen Entscheidungen rund um die Verletzung der Olympischen Chartas durch die Nicht-Einhaltung des Welt-Antidoping-Codes seitens Russlands, die Vergaben von Großveranstaltungen im Sport wie etwa die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland oder die Olympischen Spiele nach Sotschi, die jüngsten Enthüllungen um den englischen Arzt Mark Bonar, der 150 Sportler, u.a. aus der Premier League, aber auch Boxer, Radsportler und Tennisspieler mit Dopingsubstanzen versorgt haben soll oder letztlich die Enthüllungen rund um den amerikanischen Teamarzt des Turnerinnen und Turner, Larry Nassar samt Vertuschungsversuchen betrachtet – der Sport hat in den letzten Jahren in diesen und weiteren Fällen die gesellschaftlich ethischen Werte nicht nur strapaziert, sondern mit Füßen getreten und viele Akteure haben sich von den gemeinsamen ethischen Grundsätzen weit entfernt, darüber können auch Ethik-Codes und Ombudsstellen nicht hinweg täuschen. 

Auch wenn sich hervorgehobene Bereiche des Sports nicht ethisch verhalten, sind die ethischen Ziele für viele der Sport Treibenden wichtig und unumgänglich. Dies spiegelt sich u.a. in einer mehrheitlichen Ablehnung Olympischer Spiele in Deutschland wider. Und zu diesem Bild des Sports passt der eSport in seiner derzeitigen Form nicht.

Der DOSB schreibt in Bezug auf die Ethik in seiner Aufnahmeordnung erläuternd, dass seiner Meinung nach ethische Werte nicht eingehalten werden, wenn bei Konkurrenzhandlungen „eine tatsächliche oder simulierte Körperverletzung bei Einhaltung der gesetzten Regeln“ beinhaltet ist (vgl. DOSB, 2014). Jedoch ist beim Boxen nicht nur eine simulierte Körperverletzung Inhalt und auch Karate simuliert Körperverletzungen, später erfolgen im Kumite gar Körpertreffer. Auch Würgegriffe und Angriffe auf Nervenpunkte, die Schmerzen, Lähmungen, Atemstillstand oder gar Tod auslösen können, werden geschult. Dennoch sind Karate und Boxen unstrittig Sport und in der Sportfamilie verankert. Die Spieler bei eSports dagegen treten nur virtuell gegeneinander an, so dass nicht von einer direkten simulierten Körperverletzung der Spieler gesprochen werden kann. Aus meiner Sicht ist daher dieser Zusatz nicht als Grundlage für unethische Handlungen zu betrachten.

Ist eSports eine Bewegungskunst?

Letztendlich bleibt die Frage nach der Bewegungskunst. Folgt man auch hier Tiedemann, so steht nicht die ästhetische Bedeutung im Fokus, sondern vielmehr das Können einer Bewegung. Die gekonnte Bewegung muss im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen, unabhängig vom Kalorienverbrauch oder Schwitzen. Dieser Definition folgend ist allerdings Schach kein Sport, trotz der körperlichen Beanspruchung und einem durchgeführten Konditionstraining einiger Schachspieler, denn es steht keine unmittelbare Bewegung im Zusammenhang mit dem Spiel (vgl. Tiedemann, 2017).

Ein anderer umstrittener Bereich ist der Motorsport, bei dem es wie beim Pferdesport auch wesentlich auf die Qualität des Geräts (Sportgeräts) ankommt. Dass Gerät erscheint wichtiger als die Bewegungskunst zu sein, wonach Motorsport ebenfalls keine Bewegungskunst wäre (vgl. Tiedemann, 2017). Diese Frage stellt sich mir nach der Betrachtung der Bob-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in gleichem Maße. Die Mannschaft, die den schnellsten Bob hat, hat größere Chancen – müssten nicht alle mit demselben Bob fahren, damit die Bewegungskunst vergleichbar ist. Turnerinnen und Turner bringen doch auch nicht alle ihr persönliches Sprungbrett mit.

Beim Sport, so Tiedemann, kommt es darauf an, die gekonnte Bewegung durch vorab verabredete und geregelte Anforderungen zu meistern und besser zu sein, als Andere, wobei die Bewegungskunst bestimmend ist (vgl. Tiedemann, 2017).

Somit komme ich zur entscheidenden Frage: Welche Bewegung wird beim eSports durchgeführt?
Bei eSports wird durch den Spieler ein Controller bedient, wodurch dich bspw. der Avatar bewegt oder Handlungen ausführt. Hierbei bewegen sich einige Finger oder die ganze Hand, wozu feinmotorische Bewegungen notwendig sind. Diese Feinmotorik muss geübt werden, vergleichbar mit der Motorik beim Darts, beim Motorsport, beim Steuern eines Bobs, beim Reiten, aber ganz im Gegensatz zu Schach, denn bei Schach spielt die Feinmotorik keine Rolle (solange man nicht die Schachfiguren vor lauter Grobmotorik umschmeißt). Notwendig sind in vergleichsweise geringem Umfang konditionelle Fähigkeiten und koordinative Fähigkeiten wie Reaktionsfähigkeit oder Hand-Auge-Koordination.

Zusammengefasst kann man sagen, dass eSports in etwa soviel Bewegungskunst erfordert wie Darts oder Motorsport und deutlich mehr als bei der Sportart Schach. Die ethische Betrachtung von eSports ist umstritten, der Sport jedoch, das konnte gezeigt werden hat sich von seinen ethischen Grundsätzen weit entfernt, darüber können auch Ethik-Codes und Ombudsstellen nicht hinweg täuschen. Allen anderen Aspekten der verwendeten Definition von Sport entspricht eSports wie alle anderen Sportarten. Daher kann und muss, sofern Darts, Motorsport und Schach als Sport bezeichnet werden, eSports auch als Sport bezeichnet werden. Meine persönliche Auffassung ist, dass weder Schach noch Motorsport noch Darts Sport ist, aber diese Sportarten sind beim DOSB verankert. Im Sinne einer Gleichbehandlung wäre demnach eSports auch als Sport zu betrachten.

Sollte eSports in den DOSB integriert werden?

Der DOSB selbst schreibt, welche (sportlichen) Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit eine Sportart Mitglied der Sportfamilie werden kann.

  • Die Ausübung der Sportart muss eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität eines jeden zum Ziel haben, der sie betreibt. Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denkspielen, Bastel- und Modellbautätigkeit, Zucht von Tieren, Dressur von Tieren ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen und Bewältigung technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen.
  • Die Ausübung der eigenmotorischen Aktivitäten muss Selbstzweck der Betätigung sein. Dieser Selbstzweck liegt insbesondere nicht vor bei Arbeits- und Alltagsverrichtungen und rein physiologischen Zustandsveränderungen des Menschen.
  • Die Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie z.B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten. Dies ist nicht gegeben insbesondere bei Konkurrenzhandlungen, die ausschließlich auf materiellen Gewinn abzielen oder die eine tatsächliche oder simulierte Körperverletzung bei Einhaltung der gesetzten Regeln beinhalten.

(DOSB, 2018).

Des Weiteren definiert der DOSB in seiner Aufnahmeordnung, was alles dem Aufnahmeantrag beigelegt sein muss, etwa eine Satzung, der Nachweis der Gemeinnützigkeit, die Eintragung im Registergericht sowie die organisatorischen Voraussetzungen,

  • dass mind. die Hälfte der Landessportbünde mit Landesverbänden die Sportart betreuen,
  • eine Mindestmitgliederzahl von 10.000 vorhanden sein muss,
  • der aufzunehmende Verband im Sinne von § 52 Abs. 2 Ziffer 21 AO wegen Förderung des gemeinnützigen Zweckes Sport steuerbegünstigt ist  und
  • innerhalb des Verbandes Jugendarbeit in nicht nur geringfügigem Umfang betrieben wird

(vgl. DOSB, 2014)

Über die ersten beiden Punkte der sportlichen Voraussetzungen ist bereits in der Betrachtung, ob eSports Sport ist oder nicht, klar geworden, dass im Sinne einer Gleichbehandlung eSports nicht ausgegrenzt werden kann. Daher gilt es den Absatz 
„die Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie z.B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten“ 
genauer zu betrachten.

Das Reglement einer eSports-Veranstaltung wird vom Betreiber vorgegeben, so dass alle eSportler eines Wettkampfs nach denselben Regeln agieren.  Auch Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Personen und eine Einteilung in verschiedene Wettkampfklassen sind  bei eSports gegeben. Die ethischen Werte, die hier angesprochen werden, habe ich bereits unter  „Ist eSports Sport“ analysiert und dem Sport im Gesamten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Frage nach dem pädagogischen Auftrag des Sports wird zur Einordnung in den DOSB nicht gestellt, denn an dieser Stelle habe ich erhebliche Bedenken.
Wie ist das aber mit den „Konkurrenzhandlungen, die ausschließlich auf materiellen Gewinn abzielen“?

Aktuell wird die Sportart unter dem Dach des eSport-Bund Deutschland (ESBD) durchgeführt.

Der Verband selbst schreibt über sich
„Der ESBD – eSport-Bund Deutschland e.V. – repräsentiert bundesweit den organisierten eSport und seine Sportlerinnen und Sportler in Deutschland. Er wurde am 26. November 2017 in der ehemaligen DFB-Villa in Frankfurt (Main) durch zwanzig Teams und Vereine, sowie der ESL, dem game und Einzelpersonen gegründet. Als Fachsportverband ist der ESBD sowohl für Politik und Verwaltung als auch für Sport- und Dachverbände der zentrale Ansprechpartner für die sportliche Ausgestaltung von eSport und die Belange der Athleten in dem Bereich. Für seine Mitgliedsorganisationen aus Spitzen- und Breitensport des eSports bildet der ESBD eine Plattform, auf der gemeinsame Herausforderungen im Dialogverfahren behandelt und übergeordnete Themenfelder bearbeitet werden können“ (vgl. ESBD, 2018b). Der gemeinnützige ESBD verfügt über einen Präsidenten und ein Präsidium mit Vizepräsidenten und einer Justiziarin.

Die zu erbringenden Nachweise samt Satzung sind also vorhanden und auch der Unterpunkt, der vorgibt, dass der aufzunehmende Verband im Sinne von § 52 Abs. 2 Ziffer 21 AO wegen Förderung des gemeinnützigen Zweckes Sport steuerbegünstigt ist, ist beim ESBD gegeben.

Problematisch ist die Tatsache, dass der eSport derzeit von profitorientierten Unternehmen, den Spieleherstellern oder Publishern, bestimmt wird. Diese vergeben Lizenzen an die Ausrichter der Veranstaltungen und sie sind es auch, die nicht nur die Spiele entwickeln, sondern die Regeln festlegen. Dies widerspricht der Autonomie des Sports. Daher kann der eSport nur dann als Sport in den DOSB aufgenommen werden, wenn eSports einerseits die Autonomie des Sports gewährleistet und somit in der Lage ist, neben einer entsprechenden Jugendarbeit, die ein jeder Verband leisten muss (aber die nicht quantifizierbar ist) die Entwicklung des eSports maßgeblich in die Hand nimmt. Die Wettkampfformate müssten in der Art gestaltet werden, dass der Sportverband nicht nur die Möglichkeit hat, die Spiele mit zu entwickeln, sondern vielmehr die Regeln und Rahmenbedingungen bestimmen kann. Wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser kasus knacksus geregelt werden kann, wäre ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung getan.

Das Sportsystem besteht aber auch noch aus mehr als Sport treiben und Wettkämpfe durchführen. So müsste  die angesprochene Jugendarbeit, die in den anderen Sportverbänden Usus ist, im eSports ebenfalls sichtbar werden. Themen gäbe es gerade genug, wenn man allein nur an die Suchtgefahr von Computerspielen denkt. Das wäre ein Thema, dem sich der Verband stellen und Präventionskonzepte entwickeln müsste, um glaubwürdig zu erscheinen. Auch der Bereich der Bildung, sprich die Aus- und Fortbildung von Trainern, ist im organisierten Sport ein grundlegendes Thema. Sind hierzu Ideen vorhanden, wie dies im eSports aussehen könnte? Mir ist bis dato dazu nichts bekannt. Hier sind noch offene Punkte, die aus meiner Sicht geklärt werden müssten, bevor über die Aufnahme in den DOSB als Sportfachverband nachgedacht werden kann. Ohne Antworten auf diese Fragen erweckt das Anliegen sonst den Anschein, einfach nur an Fördergeldern interessiert zu sein. Bedenklich wäre gar, wenn der eSports Verband (ESBD) nur als Lobbyist der Spielehersteller fungieren würde, die dadurch einen Zugang zum steuerbevorzugten Segment erhielten. Details zu diesem Bereich der Entwicklung liegen bis heute seitens des eSports-Verband nicht vor. Daher ist aus meiner Sicht derzeit die Basis für eine Aufnahme des eSports in den DOSB nicht gegeben.

Wieso sprechen sich Sportverbände gegen die Aufnahme von eSports aus?

Gerade als ich am Artikel zum eSport arbeite, trifft die Meldung ein, dass sich DFB-Präsident Grindel zu Wort meldete und eSports nicht als Sport sieht. Grindel sieht in der Verwendung von mobilen Endgeräten eine absolute Verarmung der Kinder und Jugendlichen. Welche Verarmung, möchte man ihm zurufen?

Dass sich ausgerechnet der Fußball-Chef hierzu äußert und wie er sich äußert, spiegelt die Sorge vieler Verbände wider, die Wettkampfsport in Deutschland betreiben: es bleiben die Kinder weg. Doch leider haben es die Verantwortlichen des Sports in Deutschland noch nicht verinnerlicht: die Kinder bleiben aus sehr vielfältigen Gründen vom Wettkampfsport weg. Das wollen die derzeit Verantwortlichen allerdings nicht hören und verstehen. Einerseits hat die Digitalisierung die Jugend schon erfasst und es ist völlig irrelevant, ob eSports als Sport in den DOSB kommt oder nicht, die Kinder werden spielen und an den Wettkämpfen teilnehmen. Der Sport ändert sich derzeit rasant und Stichworte wie „Immer-Verfügbarkeit“, Unterhaltungskultur, Selbst-Inszenierung und individueller Erfolg anstelle des bekannten Leistungsprinzips werden rasant wichtiger. eSports ist andererseits so etwas wie für unsere Generation die Punker waren: wir grenzen uns von den Eltern und diesen ganzen spießigen (analogen) Erwachsenen ab. Ja, die Jugend grenzt sich von uns ab und das ist auch gut so. Wir wollen mündige Jugendliche, die ihren Weg finden und sich behaupten. Ob wir diesen derzeit eingeschlagenen Weg gut finden oder nicht, dazu kann sich jeder sein Bild machen. Unsere Eltern haben unsere Wege auch nicht immer gut gefunden – und trotzdem ist etwas aus uns geworden. Toleranz und Offenheit wäre mal etwas, mit dem Sportfunktionäre in die Schlagzeilen müssten, statt diese dauernde Zurückblicken auf die Vergangenheit oder gar die eigene Jugendzeit.

Die Tendenz zum abnehmenden Wettkampfsport ist nicht neu und bereits durch Studien belegt. So zeigt etwa eine Studie der Cricket-Stiftung in Großbritannien, in deren Rahmen 1000 Kinder befragt wurde, dass Kinder u.a. weniger Wettkampf und Vergleich wollen (und sie sogar ganz darauf verzichten könnten). Diese Studie wurde durchgeführt, weil Kinder das Interesse am Wettkampfsport verlieren. Treibende Kraft im Wettkampfsport sind nicht die Kinder, sondern konkurrenzorientierte Eltern, die sich um Karrierechancen des Nachwuchses sorgen.

  • „64% of children admitted that they would be relieved, not bothered or happier if the competitive element was removed from sport.“
  • “It is worrying to see that so many children would be relieved to see competition removed from sport. We want to teach children the importance of playing sport competitively and fairly and for them to see the benefits that it can bring to their lives.”
    (Chance to Shine Foundation)


Demgegenüber stehen Eltern, die ihre Kinder überhaupt nicht mehr im Wettkampfsystem des Sports sehen, da dieser u.a. aufgrund von ethischen Problemen, die gesellschaftliche Anerkennung verliert und sich die Eltern Sorge um das Wohl ihres Nachwuchses machen. Das sollte unseren Spitzenfunktionären und allen Beteiligten im Sportsystem zu denken geben. Diese Eltern sind sicherlich nicht diejenigen, die ihre Kinder zum eSport bringen, aber die Problematik ist weitaus vielschichtiger, als das Zitat von Grindel „Die größte Konkurrenz für die Frage, ob Kinder und Jugendliche zu uns in die Sportvereine kommen, sind gar nicht Handball, Basketball oder andere Sportarten, sondern wirklich das Befassen mit digitalen Endgeräten.“ Das lässt vermuten, dass sich die verantwortlichen Funktionäre eben viel zu wenig mit dem wirklichen Gründen und der Abkehr vom Leistungsprinzip hin zum individuellen Erfolg außerhalb des organisierten Sports beschäftigen. Ich gebe ihm allerdings Recht, wenn er sagt, man darf der Unterhaltungsindustrie keine steuerlichen Vorteile durch die Aufnahme in den DOSB verschaffen.

Der Sport steht vor großen Herausforderungen, in deren Rahmen der eSport eine neue Richtung einschlägt. Eine Richtung, die dazu gehört und nicht ausgegrenzt werden sollte. Gleichzeitig hat der Sport eine enorme Aufgabe, wenn er die junge Generation halten möchte. Angst vor Konkurrenz durch den eSport sollte der Sport durch die Integration nicht haben, denn so oder so wird die Jugend dorthin gehen, wo die für sie attraktivsten Angebote sind. Und die hat der Sportverein nur dann, wenn er die Zielgruppe ernst nimmt und sich darauf einlässt. Der ESBD hat allerdings noch zahlreiche offene Fragen zu klären, ohne die die Diskussion um die Aufnahme obsolet ist. Ich bin gespannt, wohin sich die Diskussion entwickeln wird.

Literatur

  • Chance to Shine Foundation (o.D.). It’s only a game? Competition in school sport under threat. Zugriff am 15.08.2016 unter https://www.chancetoshine.org/news/it-s-only-a-game-competition-in-school-sport-under-threat
  • DOSB (2018). Was ist Sport. Zugriff am 4. März 2018 unter https://www.dosb.de/de/organisation/was-ist-sport/sportdefinition/
  • DOSB (2014). Aufnahmeordnung des DOSB. Zugriff am 5. März unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0ahUKEwiAxZLlkNXZAhVJbFAKHdvtB0MQFggnMAA&url=https%3A%2F%2Fwww.dosb.de%2Ffileadmin%2Fsharepoint%2FDOSB-Dokumente%2520%257B96E58B18-5B8A-4AA1-98BB-199E8E1DC07C%257D%2FAufnahmeordnung.pdf&usg=AOvVaw3Yry2pcrODKY1uFTdPnIrC
  • ESBD (2018a). Was ist eSports? Zugriff am 5. März 2028 unter https://esportbund.de/verband/ueber-den-esbd/
  • ESBD (2018b). Über den ESBD. Zugriff am 5. März 2028 unter https://esportbund.de/verband/ueber-den-esbd/
  • Kistner, T. & Weinreich, J. (2000). Der olympische Sumpf: die Machenschaften des IOC. München, Zürich: Piper.
  • Kistner, T. (2012). Fifa-Mafia : die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball. München: Droemer.
  • Tiedemann, C. (2017). Sport – Vorschlag einer Definition. Zugriff am 5.3.2018 unter http://www.sportwissenschaft.uni-hamburg.de/tiedemann/documents/sportdefinition.html
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