Aufschwung, Umschwung, Unterschwung – so lautete die magische Formel für das Reck zu der Zeit, als ich in der Turnhalle „aufgewachsen“ bin. Die drei Elemente waren zentraler Bestandteil bereits im Grundschulsport, geübt haben wir aber auch auf Spielplätzen. Neben einem Reck sind zur Absicherung Turnmatten, aber ansonsten keine weiteren Turngeräte notwendig. Heutzutage heißt der Unterschwung Abschwung, aufgrund seiner fußwärtsgerichteten Hüftstreckung ist aber der Begriff Felgen noch immer korrekt.
Biomechanische Aspekte des Felgunterschwungs / Felgabschwungs
Der Felgunterschwung (Felgabschwung) gehört zur Strukturgruppe der Felgbewegungen, die durch eine "fußwärtsgerichtete" Hüfstreckung mit Abbremsen zur translatorischen Impulsübertragung gekennzeichnet sind. Darüber hinaus ist Zentral, dass der Arm-Rumpf-Winkel (ARW) geöffnet wird, damit sich die Turner*innen von der Drehachse entfernen und die fußwärtsgerichtete Translation weiterführen. Das Öffnen des ARW geht mit einer Armschub- bzw. Armdruckbewegung einher.
Die Turner*innen drehen beim Felgabschwung mit leicht gebeugtem Bein-Rumpf-Winkel im Stütz vorwärts um die feste Drehachse Reckstange. Nach Passieren der Waagrechten erfolgt die fußwärts gerichtete Hüftstreckung, bei der die Füße in Richtung Decke bewegt werden (ca. 45 Grad, wenn die Waagrechte 0 Grad und die Decke 90 Grad bilden). Die Hüftstreckung wird zur Impulserhaltung bei einer Körperposition von 180 Grad abgebremst, wodurch die Griffstellen entlastet werden und der Arm-Rumpf-Winkel aktiv geöffnet werden kann. Nach Streckung der Arme wird der Griff gelöst und der Körper dreht in der Aktivüberstreckung bis in den Stand.
Alternativ kann mit oder ohne Schwungbeineinsatz ein Felgunterschwung aus dem Stand erfolgen, wobei die Beine an die Reckstange und bei der Hüftstreckung an der Reckstange entlang geführt werden.
Bewegungsentscheidend beim Felgunterschwung aus dem Stütz ist, dass beim der Rotation rückwärts (wenn die Füße nach vorne Schwingen), die Schulter mit zurück geführt wird und die Oberschenkel bis zur Hüftstreckung Kontakt mit der Reckstange halten (das Gesäß nicht absinkt). Dabei die C-Plus-Position (geschlossenes Schiffchen) halten.
Wie lerne ich einen Felgunterschwung?
Die Felgbewegung beim Felgunterschwung ist mit der Felgbewegung am Boden (Felgrolle) vergleichbar. Daher können Vorübungen der Felgrolle am Boden (siehe Doppelstunde Turnen oder im Blog unter Felgrolle rückwärts am Boden lernen) vorangestellt oder parallel durchgeführt werden.
Am Reck selber gilt es zunächst den Felghang kennen zu lernen, den Zeitpunkt für die Hüftstreckung – im Unterschied zu einer Kippe – kennen zu lernen um dann die Rückwärtsrotation in der C-Plus-Position voran zu stellen. Begonnen wird somit bei der Hauptaktion im Felghang, ohne schon vorherige koordinativ anspruchsvolle Bewegungen voranzustellen.
Kennenlernen des Felghangs am Reck
Mit Hilfe von 2 Helfer*innen, die rechts und links neben dem Turner / der Turnerin stehen, werden die Beine so an die Reckstange geführt, dass die Oberschenkel nahe des Knies die Reckstange leicht berühren. Die Turner*innen haben dabei immer den Kopf gebeugt (Kinn zur Brust), die Helfer*innen greifen an der Oberschenkelrückseite und an der Schulter. Grundlegende Hinweise zur Hilfestellung finden sich unter Helfen und Sichern im Gerätturnen.
Felghang mit Pendeln
Beim zweiten Durchgang wird wie eben die Felgposition eingenommen, die Helfer*innen positionieren sich wie eben. Nun schieben die Helfer*innen die Turner*innen an der Schulter an, so dass diese ins Pendeln kommen. Dabei sollen die Oberschenkel Kontakt mit der Reckstange halten (dazu ist viel Hilfestellung nötig).
Pendeln im Felghang mit Zuruf
Beim dritten Durchgang agieren alle Beteiligten wie eben, jetzt kommt noch der korrekte Zeitpunkt der Hüftstreckung hinzu, der von den Helfer*innen durch ein verbales Kommando zugerufen wird. Der richtige Zeitpunkt ist nach Passieren der Senkrechten, wenn das Gesäß der Turner*innen unter der Reckstange nach vorne schwingt. Nicht zu Verwechseln mit dem Zeitpunkt bei der Kippbewegung, bei der nach Passieren der Senkrechten im Rückschwung die Hüftstreckung erfolgt.
Zeitpunkt der Felgbewegung selber spüren
Der vierte Durchgang wird analog der vorherigen Übung durchgeführt. Nur wird der richtige Zeitpunkt der Hüftstreckung nicht von außen zugerufen, sondern die Turner*innen deuten diesen durch eine leichte Hüftstreckung selbständig an. Damit wird sicher gestellt, dass die Turner*innen die Grundidee der Felgbewegung verstanden haben.
Pendeln mit starker Hüftstreckung
Dieser fünfte Durchgang ermöglicht den ersten Felgunterschwung. Dabei agieren Turner*innen und Helfer*innen wie eben. Vorher gilt es zu klären, wie oft die Turner*innen pendeln, bevor die Hüftstreckung durchgeführt wird. Auf Kommando (1, 2, 3) werden die Turner*innen gependelt, beim vorher ausgemachten Signal wird die Hüfte zum richtigen Zeitpunkt schnellkräftig gestreckt (fußwärts gerichtete Translation). Die Arme werden mit der Hüftstreckung ebenfalls gestreckt (Öffnen Arm-Rump-Winkel) und die Turner*innen werden durch die Helfer*innen nach Lösen des Griffs in den Stand getragen.
Diese Übungsform kann und soll, sofern die Hände dies mitmachen, mehrmals wiederholt werden. Die Helfer*innen oder eine weitere Person können zum richtigen Zeitpunkt der Hüftstreckung ein akustisches Signal geben.
Schwungbewegung im Stütz kennen lernen
Die Turner*innen beginnen nun im Stütz. Die Beine werden zurück geschwungen (Schwung holen), beim Vorschwung der Beine/Füße wird die Schulter nach hintern verlagert und die C-Plus Position gehalten. Die Helfer*innen rechts und links greifen an Schulter und Oberschenkelrückseite. Die Oberschenkel werden gegen die Reckstange gedrückt, die Schulter stabilisiert, damit die C-Plus-Position gehalten werden kann. In dieser Position langsam mit gestreckten Armen abschwingen, Kinn dabei zur Brust führen. Die Helfer*innen lassen die Beine sanft auf den Boden ab, wenn das Gesäß beim Abschwung die Senkrechte passiert (Zeitpunkt, zu dem später die Hüftstreckung stattfindet).
Felgunterschwung turnen
Nach diesen sechs Vorübungen steht einem Felgunterschwung (Felgabschwung) in Gänze nichts mehr im Weg. Wie eben Ausgangsposition im Stütz einnehmen, die Helfern*innen greifen wieder an Oberschenkelrückseite und an der Schulter. Nach Rückschwung (Schwung holen) wird im Vorschwung die C-Plus-Position eingenommen, diese wird gehalten, bis die Hüfte die Senkrechte passiert. Zum vorher erarbeiteten Zeitpunkt der Hüftaktion wird die Hüfte schnellkräftig gestreckt, der Arm-Rumpf-Winkel geöffnet (Armstreckung), die Turner*innen werden von der Hilfestellung bis in den Stand begleitet (oder getragen, je nach Ausführung der Hüftstreckung).
Die Turner*innen achten dabei unbedingt darauf, die Arme immer gestreckt zu halten, damit das Gesicht und die empfindlichen Zähne der Reckstange nicht zu nahe kommen.
Literaturhinweis:
- Knirsch, Kurt (1997): Gerätturnen mit Mädchen und Frauen. Kirchentellinsfurt: Knirsch-Verlag.
- Knirsch, Kurt (1996): Fundamentum des Gerätturnens. Sindelfingen: Röhm.
- Lange, S. & Bischoff, K. (2009). Doppelstunde Turnen. Schorndorf: Hofmann.
- Lange, S. (2015). Turnen in der Primarstufe. Schorndorf: Hofmann.