Gesunder Rücken im Kinderturnen

Erst das Zusammenwirken von Wahrnehmen, Erleben, Denken und Handeln
macht Bewegungsvollzüge zu Handlungsvollzügen.
Ernst J. Kiphard

Für eine funktionelle Haltung ist eine gute Körperwahrnehmung eine wichtige Voraussetzung. Durch vielfältige Wahrnehmungsübungen können Kinder für ihren Körper sensibilisiert werden. Wahrnehmung kann dabei einerseits auf das Körperschema abzielen, andererseits auf das Bewußtsein biologischer Vorgänge und anatomischer Strukturen. Diese Inhalte kindgerecht zu gestalten - darin liegt die Kunst.

Körperwahrnehmung

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wahrnehmung und Bewegung?

Jeder Wahrnehmung - im speziellen der Körperwahrnehmung - liegen sensomotorische Vorgänge zugrunde. Sinnesorgane können unterschiedliche Reize aufnehmen, diese werden im Gehirn oder auf Rückenmarksebene verarbeitet und mit motorischen Verhaltensweisen beantwortet. Jede Bewegung oder Haltung ist somit als Anpassung äußerer oder innerer Stimuli zu verstehen. Die sensorische Wahrnehmung ist also die Grundlage jeder Bewegung.

Welche Rolle spielen dabei Rezeptoren, wie können diese unterschieden werden und was ist deren übergeordnete Aufgabe?

Die Rezeptoren, die die oben genannten Reize aufnehmen, können nach ihrer Lokalisation unterschieden werden in

  • extrinsische (exterozeptive) Rezeptoren
    - Telerezeptoren (Augen/Ohren) melden Veränderungen von Licht- und Schallwellen;
    - taktile Rezeptoren der Haut melden Berührungsveränderungen;
    - taktile Rezeptoren der Unterhaut melden Druckveränderungen;
    - Thermorezeptoren melden Temperaturveränderungen;
    - Schmerzrezeptoren melden Schmerzen, die von der Oberfläche ausgehen;
    - Geruchsrezeptoren melden Veränderungen vom Geschmack.
  • intrinsische (propriozeptive) Rezeptoren
    - Muskelspindeln melden Längenveränderungen der Muskelspindeln;
    - Golgi-Sehnenapparat meldet Spannungsveränderungen in den Sehnen;
    - vestibuläres System analysiert Bewegungen des Kopfes im Raum;
    - Druckrezeptoren im Gelenk melden Belastungsveränderungen;
    - Nozizeptoren melden Spannungs- und Schmerzempfindungen aus dem Körperinneren

Welche Wirkungsweise entfalten die einzelnen Rezeptoren?

Die extrinsischen Rezeptoren stellen die Verbindung zwischen Mensch und Umwelt her (Wärme, Kälte, Schmerz, Berührung), über die intrinsischen Rezeptoren läuft die Tiefensensibilität. Die Propriozeptoren liefern in ihrer Gesamtheit Informationen über

  • die Lage und die Bewegungen im Raum; 
  • das Gewicht und den Umfang des Körpers oder seiner Teile;
  • die Muskelmasse und das Skelett;
  • den Innenraum und die inneren Organe.

Welcher Zusammenhang besteht nun zum gesunden Rücken Kinderturnen?

Es geht darum, körpereigene Wahrnehmungsprozesse über u.a. experimentierenden Umgang mit sich selbst und neue (Bewegungs- und Haltungs-) Situationen stimulieren und sensibilisieren. Dabei soll aus dem Bereich der Koordination v.a. die Differenzierungsfähigkeit gefördert werden, um "schlechte", unökonomische Bewegungen von "guten", effizienten Bewegungen unterscheiden zu können. Damit wird Handlungskompetenz in "Sachen" Gesundheit und Wohlbefinden vermittelt.

Wie lässt sich dies im Kinderturnen umsetzen?

Kinder sind keine kleinen Erwachsene und haben auch nicht deren Vermögen, jetzige Handlungsmuster als geeignet oder ungeeignet für ihre Zukunft einzuschätzen, da sie bspw. nicht in der Lage sind, einen Zeitraum von mehreren Jahren zu erfassen ("... dann bekommst Du mit 40 Jahren Rückenschmerzen"). Daher haben sie selbstverständlich auch eine andere Motivation, zum Sport zugehen, als es Erwachsene haben, nämlich Spaß - und diesem ist unbedingt Rechnung zu tragen. Die angebotenen Inhalte müssen daher so verpackt werden, dass sie spannend sind und den Kindern Spaß machen, dann geht alles weitere von alleine ...

  • Training auf instabilen Untergründen (propriozeptives Training);
    bspw. auf 4 Tennisbällen balancieren (die Kinder als Artisten im Zirkus)
  • Training unter Ausschaltung verschiedener Rezeptoren;
    bspw. über Hindernisse steigen und dabei durch ein Fernglas schauen
  • Kombination von Sportgeräten und instabilen Untergründen und ausgeschalteten Rezeptoren;
    bspw. auf 4 Tennisbällen mit geschlossenen Augen balancieren
  • Kennenlernen des Körperschemas;
    bspw. Körper auf ein Blatt Papier zeichnen; Fußabdruck im Sand oder auf Papier
  • Sensibilisierung für den Rücken als nicht sichtbare Körperregion;
    bspw. Pizza backen; Massageformen
  • Unterschiede zwischen angespannter und entspannter Muskulatur verdeutlichen;
    bspw. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen
  • muskuläres Gleichgewicht "herstellen"
    sanftes Krafttraining bspw. durch kräftigende Spielformen mit motivierenden Aufbauten, ggf.kombiniert mit geschlossenen Augen oder ausgeschaltetem Licht (Taschenlampe nicht vergessen!)
  • pantomimisch oder mit Geschichten funktionelle und unfunktionelle Gegensätze spielerisch darstellen
    bspw. die Geschichte von Heim, dem Lümmel
    bspw. Kinder mit Luftballons stellen Bandscheiben und Wirbelsäule dar und simulieren Bandscheibenvorfall
  • über basteln oder malen anatomische Zusammenhänge verdeutlichen
    bspw. "Bandschis" malen und ausschneiden lassen

 

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