Das Gerätturnen kann wie kaum eine andere Sportart über die Zusammenhänge der Biomechanik erläutert und geleht werden. In allen Bewegungsbeschreibugnen tauchen zentrale Begrifflichkeiten auf, die an dieser Stelle in aller Kürze erklärt werden. Die Liste der Begriffe kann nicht vollständig sein, hier finden sich die ganz zentralen Begrifflichkeiten, um die kein Trainer im Gerätturnen herum kommt.
Gleichgewichtsarten
labiles, stabiles und indifferentes Gleichgewicht
- labiles Gleichgewicht
KSP ist senkrecht über der Stützstelle (Unterstützungsstelle, Drehachse), wird er davon weg bewegt, so dreht sich der Körper
beim Turnen: Handstand, Kopfstand, Stand, Turnen am Schwebebalken - indifferentes Gleichgewicht
wird der Körper aus dieser Position bewegt, so bleibt der KSP in derselben Höhenposition
beim Turnen: nur annäherungsweise beim Rollen - stabiles Gleichgewicht
KSP ist senkrecht unter der Drehachse, wird er davon wegbewegt, so dreht er sich wieder dorthin
beim Turnen: Hang am Reck, an den Ringen
Drehachsen
feste, freie und momentane Drehachse
- feste Drehachse: um sie dreht ein Körper im Hang oder Stütz (vertikal / horizontal)
beim Turnen gibt es Modifikationen
- feste Drehachse: Reck oder Stufenbarren - Grundschwung; Barren - Oberarmschwingen
- annähernd feste Drehachsen: Barren - Schwingen im Stütz (Grundschwingen)
- mitpendelnde feste Drehachse: Ringe - Schwingen (Grundschwung)
- kurzzeitig feste Drehachsen: Sprung - Absprung vom Reutherbrett¸ Boden - Handstand abrollen - freie Drehachsen: dreht ein Körper frei im Raum, so dreht er immer um seinen KSP -> KSP = freie Drehachse
beim Turnen: Boden - Salto vorwärts / rückwärts - momentane Drehachsen: ein konvex gekrümmter Körper dreht um eine sich verändernde Drehachse
beim Turnen: Boden - Rolle vorwärts / rückwärts (Rücken konvex gekrümmt) oder Handstand abrollen
Energieformen
Lageenergie oder potentielle Energie, kinetische Energie, Spannungsenergie
- Lageenergie (potentielle Energie): gespeicherte Form der Arbeit durch Höhengewinn
beim Turnen:
- Reck: aus dem Langhang in Stützposition kommen durch Kippe oder Stemme
- Boden: in den Handstand aufschwingen (Erhöhung KSP) - kinetische Energie (Bewegungsenergie): Arbeit, die der Körper aufgrund seiner Geschwindigkeit verrichten kann
beim Turnen:
- Reck: Hocke über die Stange (beim Auftreffen auf den Boden ð Bewegungsenergie)
- Boden: Handstand abrollen - Spannungsenergie (Sonderform der Lageenergie): eine auf einen elastischen Körper bezogene Arbeit
beim Turnen:
- Verformung der Geräte (Reckstange, Trampolin, Sprungbrett)
- Vorspannung des Körpers
Körperschwerpunkt (KSP)
Der Schwerpunkt eines Körpers, als Körperschwerpunkt bezeichnet, ist jener (gedachte) Punkt, an dem die Gewichtskraft angreift. Der KSP kann als Massenmittelpunkt bezeichnet werden.
Beispiele:
- Kugel -> Mitte
- Mensch im Stehen -> etwa Bauchnabel
- Mensch in Kipplage -> außerhalb des Körpers
Beim Kopfstand / Handstand muß der KSP über der Stützstelle liegen, sonst erfolgt eine Rotation (vorwärts oder rückwärts).
Kraft
Kraft ist die Ursache für Bewegungsänderungen. Jede Kraft verursacht eine Gegenkraft (Actio=Reactio). Die Biomechanik unterscheidet zwischen Sprung-/Stütz- und Haltekraft.
Beispiel:
- Strecksprung: die Kraft wirkt muskulär nach unten, die Gegenkraft wirkt gegen die Schwerkraft nach oben
Berechnung der Kraft: F = m * a [N]
- Produkt von Masse und (der durch die Kraft erzeugten) Beschleunigung
- Turner 70kg, Erdbeschleunigung: 9,81 m/s2
- Kraft: 70 * 9,81 [N] = 686,7 N (N ≙ NEWTON ≙ kg*m/s2)
Rotation
Eine Rotation ist eine Bewegung, bei der alle Punkte des betrachteten Körpers um eine gemeinsame Achse drehen
Beispiel:
- wirkt die Kraft (innere oder äußere) am KSP oder der Drehachse vorbei -> Rotation
- beim Turnen: Umfallen (gerade)aus dem Stand, Handstand abrollen
Translation
Eine Translation ist eine Bewegung, bei der alle Punkte des betrachteten Körpers deckungsgleiche Bahnen durchlaufen
Beispiel:
- wirkt die Kraft (innere oder äußere) direkt auf den KSP -> Translation
- beim Turnen: Strecksprung
Zentraler Kraftstoß
Ein Kraftstoß bewirkt bei einem (vorab ruhenden) Körper genau dann eine Translation, wenn die Wirkungslinie der Kraft während der Stoßphase stets durch den Schwerpunkt geht.
Nicht-Zentraler Kraftstoß
Ein Kraftstoß bewirkt bei einem vorab ruhenden (aber auch translatorisch sich bewegenden) Körper (dann und nur dann) eine Rotation (und gegebenenfalls auch noch eine Translation), wenn die Wirkungslinie der Kraft während der Stoßphase nicht durch den Schwerpunkt geht.
Eine sehr ausfrührliche Beschreibung dieser und vieler weiterer Begriffe finden sich bei Wiemann, K. (2013). Bewegungslehre und Methodik dargestellt am Beispiel des Gerätturnens unter http://www.biowiss-sport.de/BMT.Kap.3.pdf